Wie wird der Eiweißbedarf (Protein) der deutschen Nutztiertierhaltung derzeit gedeckt?
Für die Eiweißversorgung der Nutztiere in Deutschland sind pro Jahr 7,52 Millionen Tonnen verdauliches Rohprotein erforderlich, davon stammen 5,02 Millionen Tonnen (67 Prozent) verdauliches Rohprotein aus dem heimischen Rau- und Saftfutter (wirtschaftseigenes Grundfutter) dem wirtschaftseigenen Getreide und heimischen Nebenprodukten der Rapsölgewinnung, der Lebensmittelverarbeitung und der Bioethanolgewinnung sowie Körnerleguminosen (Hülsenfrüchte) wie Erbsen, Ackerbohnen und Lupinen. Der Importbedarf in Höhe von 2,55 Millionen Tonnen (33 Prozent) verdaulichem Rohprotein wird zu mehr als 50 Prozent über den Import von Soja (ca. 3,7 Millionen Tonnen Sojabohnen und 2,5 Millionen Tonnen Sojaschrot) gedeckt.
Versorgung mit Futterproteinen
Die derzeitigen Rohstoffströme sind eine Folge der Standortvorzüglichkeiten und internationaler Arbeitsteilung: Europa nimmt deshalb die Rolle als Getreideexporteur ein – die USA sowie Südamerika sind gute Sojastandorte und daher -exporteure.
Agrarpolitische Diskussion über die Eiweißversorgung in Deutschland
In der öffentlichen Diskussion wird von einzelnen Interessengruppen die Forderung gestellt, den Import von Proteinfuttermitteln zu verringern und ausschließlich heimische Rohstoffe einzusetzen. Hauptsächliche Gründe sind unter anderem die Wirtschaftsweise bei der Erzeugung von Soja (überwiegend in Südamerika) und die Diskussion über gentechnisch veränderte Sorten (GVO). In Deutschland wird außerdem die Erweiterung von Fruchtfolgen durch heimische Eiweißpflanzen gewünscht. Die (Land)Wirtschaft und Wissenschaft suchen und nutzen Eiweißquellen mit entsprechend verfügbarer Proteinmenge und Proteinqualität. Relevante Aspekte sind hierbei unter anderem die Verfügbarkeit, Standortvorzüglichkeit, Umwelt- und Klimaschutzeffekte, Flächenverbrauch und die Wirtschaftlichkeit.
Alternativen zu Sojaprodukten
- Nutzung von eiweißreichen Nebenprodukten aus der Gewinnung von
- Lebensmitteln wie Ölen, Stärken, Bier etc.
- Biodiesel
- Bioethanol
- Nutzung von heimischen Körnerleguminosen
- Nutzung von tierischem Protein (lebensmitteltaugliche Schlachtnebenprodukte)
- Erschließung und Nutzung von mikrobiellem Protein für Futterzwecke (Mikroalgen, Bakterien, Pilze)
Leguminosen
Trotz Förderung ist der Anbau von Leguminosen wie Erbsen, Ackerbohnen und Lupinen nach wie vor unattraktiv. Die Proteinqualität sowie anti-nutritive (schlecht bekömmliche) Faktoren sind zu berücksichtigen. Daraus resultieren physiologische Einsatzgrenzen dieser Hülsenfrüchte. Obwohl es in der Tierernährung noch ein großes Absatzpotenzial gibt, lassen Wirtschaftlichkeit des Anbaues, Flächenkonkurrenz und EEG-Förderung (Erneuerbare-Energien-Gesetz) dem europäischen Leguminosenanbau derzeit wenig Raum.
Raps
In den letzten Jahren hat die Menge des in Futtermitteln eingesetzten Rapsschrotes mit rund 2,5 Millionen Tonnen das Niveau des Sojaschrots (2,4 Millionen Tonnen) erreicht. Dieser Rohstoff ist somit gut etabliert, aber das Potenzial nicht beliebig steigerbar. Die Produktion ist nicht vom Futtermittelmarkt, sondern vom Öl- bzw. Bioenergiemarkt getrieben. Für den Einsatz in der Schweinehaltung hat Rapsschrot ab einem bestimmten Anteil ernährungsphysiologische Nachteile.
Tierisches Eiweiß
Die seit der BSE-Krise festgeschriebenen Verfütterungsverbote für tierische Proteine sind in der Diskussion (lebensmitteltaugliche Schlachtnebenprodukte, sogenanntes Kategorie-3-Material – entspricht nicht dem umgangssprachlichen „Tiermehl“). Im Sommer 2011 hat sich das Europäische Parlament für eine Lockerung der Verbote ausgesprochen. Dies bedeutete eine Überprüfung des Verfütterungsverbots für bestimmte verarbeitete tierische Proteine an Schweine und Geflügel. Die Verfütterung an Wiederkäuer sollte aber in jedem Fall ausgeschlossen werden ebenso wie die Intraspezies-Verfütterung (Kannibalismusverbot, also z. B. keine Schweineproteine an Schweine). Die Aufhebung des Verfütterungsverbots wird für 2021 erwartet.
Eine Wiedereinführung tierischer Proteine ist aus Sicht des DVT nur unter der Voraussetzung machbar, wenn eine eindeutig positive wissenschaftliche Sicherheitsbewertung vorliegt. Außerdem müsste die Akzeptanz im Markt gegeben sein – nicht nur in der Landwirtschaft, sondern bei allen Stufen der Lebensmittelkette, der Politik und der Verbraucherschaft. Hinzu kommt, dass validierte Analysenmethoden notwendig sind, die eine sichere Unterscheidung nach Tierarten in der Verarbeitung und Verwendung solcher Erzeugnisse gewährleisten. Auch Toleranzschwellen bzw. Regeln zum Umgang mit unvermeidlichen Verschleppungen und Spuren tierischer Proteine sind festzulegen.
Als gering einzuschätzen ist der Beitrag tierischer Proteine zur Verringerung der Abhängigkeit von importierten pflanzlichen Eiweißlieferanten. Die 87.000 Tonnen im technischen Bereich (Düngemittel) eingesetzten tierischen Proteine entsprechen mengenmäßig rund 3,6 Prozent des Verbrauchs an Sojaschrot im Mischfutter in Deutschland (2020: 2,4 Millionen Tonnen).
Fazit
- Soja ist ein wichtiger Standardrohstoff für die Futterproteinversorgung und wirtschaftlich anderen Eiweißfuttermittel überlegen. Die kritische Diskussion über gentechnisch veränderte Organismen (GVO) sowie Umwelt- und Klimaschutz wird weiter aktuell bleiben.
- Heimisch erzeugte Eiweißfuttermittel (Raps, DDGS/Trockenschlempe, Körnerleguminosen) können nur zu einem gewissen Anteil als Alternative zu Importsoja gesehen werden bzw. sind derzeit unter anderem aufgrund des wenig attraktiven Anbaus nicht wesentlich steigerbar.
- Tierische Eiweiße stehen derzeit (noch) nicht zur Debatte.
- Eine Selbstversorgung in Bezug auf Eiweiß ist in Deutschland und Europa unter den derzeitigen Rahmenbedingungen praktisch und ökonomisch kaum machbar.
Die weltweite Nachfragekonkurrenz für Futtereiweiß erfordert ein langfristiges Konzept.